Der Badenblogger » 7. August 2024

Daily Archives: 7. August 2024

Allgemein Menschen Stadtstreicher

Allee hopp!

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Mit dem Pferdegespann durch das grüne Herz Baden-Badens

Für manche liegt das Glück auf dem Rücken der Pferde. Andere wiederum suchen es gleich dahinter. So wie Sabrina Möller, eine junge Frau von 36 Jahren, die in Baden-Baden auch dieses Jahr wieder mit ihrer Kutsche Touristen durch die Lichtentaler Allee fährt. Dabei trägt sie standesgemäß einen knapp geschnittenen grauen Anzug, nebst weißer Bluse und Zylinder. Baden-Baden, Ihr Niveau.

Nachdem sie 2009 das Führen eines Gespanns erlernt hatte, hat sie den Betrieb 2015 von ihrem Vorgänger übernommen. Drei Monate harte Ausbildung seien das gewesen, kein Vergleich mit dem Auto-Führerschein. Morgens Theorie, nachmittags Praxis. Erst mit zwei, dann mit vier und schlussendlich mit sechs Pferden. Dass da einem nur nichts durchgeht, oder wie sie sagt: „Wie bremst man das ganze Geschoss“?

Dann kommt der Alltag, der sich natürlich auch wieder ganz anders darstellt. Kutschieren im Verkehr, während der Fahrt mit den Kunden plaudern, die Richtung halten und dabei selbstverständlich noch gute Miene zum rollenden Spiel machen. Freundlichkeit zahlt sich aus und soll es auch.

Was andere eher nebulös mit ‚Glück’ umschreiben, lässt sich bei Sabrina Möller ziemlich klar festmachen. Eines nicht zu fernen Tages vielleicht nicht mehr selbst sieben Tage in der Woche fahren zu müssen. Nach sechzig Wochenstunden endlich sagen zu dürfen: es reicht. Auch mit ihrer Familie einmal Urlaub machen, so wie letztes Jahr, als man endlich zu dritt ausrückte, um im Baggersee bei Stollhofen zu baden. Das war gut geplant, zumindest solange, bis der Kollege, der sie an dem Tag vertreten sollte, mit einem Bandscheibenvorfall ausfiel. Wieder nix. Selbstständig sein heißt halt immer noch: selbst und ständig.

Der Betrieb und die Pferde müssen laufen. Drei Gespanne sind abwechselnd im Einsatz. Dazu kommen die Helfer im Stall. Und dann noch die Springer. Gefahren wird mit polnischen Warmblütern. Neun Pferde sind es, die auch im Winter ihr Futter wollen. Saisongeschäft eben. Die Kutschen kommen ebenfalls aus Polen. € 12 000 das Stück. Die deutschen Kutschen kann man nicht bezahlen. Eine andere Baustelle ist das Gelände in der Gunzenbachachstraße. Die Koppel. Sie wird immer wieder gern auch von Wildschweinen besucht. Da muss ein Zaun ausgebessert werden, das Gelände ist bisweilen matschig. Hier muss mit dem Forstamt verhandelt werden. Dabei zeigt sich die Stadt kooperativ. Sie weiß, was sie an dem Kutschenbetrieb und ihrer Halterin hat. Und kann doch nicht verhindern, dass dem Kleinbetrieb durch den G 20 Gipfel auch dieses Jahr wieder eine komplette Woche Fahrbetrieb, also Einnahmen, fehlen.

Dabei wirkt sie trotz aller Belastung durchaus fröhlich. Sei es, weil sie weiß, dass Miesepetrigkeit ohnehin nichts brächte, sei es, weil es ihrem optimistischen Naturell zuwider liefe.

(Wo und wie geht’s weiter? Demnächst & hier)

Allgemein Stadtstreicher

Allee hopp! Teil 2

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Mit dem Pferdegespann durchs grüne Herz Baden-Badens: Die Chinesen sind da

„How much?“ Wie aus dem Nichts kommend tauchen am ihrem Stellplatz vor dem Cafe ‚Capri‘ fünf Chinesen mit Stoffhütchen auf. Kutsche im Blick, Handy in der Hand. Und nochmal: „How much?“ Also wird erklärt. Drei verschiedene Touren werden angeboten. Alle führen zunächst durch die Allee. Fünzehn Minuten kosten € 35; diese Tour macht kehrt am Stadtmuseum, bevor sie über das ‚Brenner’s‘ wieder zurück führt. Dreißig Minuten zu € 60. Diese Tour macht kehrt am Hirtenhäuschen. Und dann noch eine volle Stunde, also die große Tour. Sie führt bis zum Kloster Lichtental. Macht € 110.

Es folgt jetzt eine lebhafte innerchinesische Gesprächsrunde. Doch dann zeichnet sich ab: angesichts der fünfzehn Tage Urlaub, die der Chinese so hat (von denen er wohl noch die Hälfe seinem Arbeitgeber schenkt), scheint die kleine Tour angebracht. Man muss gleich weiter. Aber jetzt erst mal einsteigen, Stoffhütchen gerückt, alle drin. Und wo ist das Sonnenschirmchen? Ach hier. Ok.

Ab geht die Post durch die Allee. Ein wunderschöner Tag. Die Vögel zwitschern und die Besucher auch. Fünf Leute, fünf Handys. Erst geht’s zum Stadtmuseum, von dort kurz in die Fremersbergstrasse und dann abbiegen beim Brenner’s Parkhotel, wo die braunbefrackten Herren am Eingang Sabrina Möller freundlich grüßen, die, nebenbei gesprochen, noch anmerkt, dass sie beim Vorbeifahren seismographisch spürt, wie die Stimmung im Inneren des Hauses heute mal wieder so ist.

Zurück am Ausgangspunkt noch schnell Fotos gemacht mit allen Gästen. Jeder einzelne steigt noch zur Kutscherin auf den Bock, bevor alle („Where ist the toilette?“) glücklich in Richtung ‚Löwenbräu’, einem weiteren Höhepunkt der Deutschlandreise, entgegeneilen.

Ähnlich flott haben’s gern auch die Araber, die vor allem in den Monaten Juli, August und September in Baden-Baden gastieren. Auf der Flucht vor der übergroßen Hitze ihrer Heimatländer suchen sie das Flüchtige auch in einer an sich beschaulichen Kutschenfahrt. Auch hier wird vor allem die kurze Fahrt gebucht. Da heißt es flott, flott, und am liebsten würde die Großfamilie in der üppig besetzen Kutsche („Araberfamilien kommen nicht zu fünft“) durch die Stadt galoppieren.

Jetzt Warten auf die nächste Kundschaft. Die polnischen Pferde scharren mit den Hufen. Links Aramis, rechts Valentino. Beide noch sehr jung. Vor allem letzter ist ungeduldig, er will wieder los. Ist es dann endlich aber so weit, hält er sich beim Ziehen der Kutsche unmerklich zurück und überlässt seinem Kompagnon die Mühe des Kutschenziehens. Hier hilft nur der behutsam-korrigierende Einsatz der Peitsche, was aber bei tieraffinen Zeitgenossen bereits hie und da zu Verstimmung geführt haben soll.

Dergleichen ist bei der nächsten Fuhre nicht zu befürchten…

Demnächst mehr….

Allgemein Menschen Stadtstreicher

Allee hopp! Teil 3

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Dergleichen ist bei der nächsten Fuhre nicht zu befürchten. Die Familie, aus Erfurt kommend, hatte telefonisch gebucht. Leider würde es aber etwas später.

Der Himmel über Baden-Baden. Wie üblich blau.

Als es dann soweit ist, kommt  der Sohn als letzter. Er humpelt stark. Zur Abrundung des Familienurlaubs hatte ihm seine Familie einen Tandemflug mit einem Paraglider geschenkt. Der Start sollte auf der stark abfallenden Merkurwiese vonstatten gehen. Der Pilot schien aber etwas überfordert. Bereits vor dem Start habe er ziemlich nervös gewirkt, berichtet der sächselnde Fluggast und dann hatte der auch prompt einen kompletten Fehlstart hingelegt. Dieser Fehlstart zog gerade beim Mitflieger starke Fleischwunden nach sich. In der Stadtklinik habe man ihn dann wieder zusammengeflickt.

Mehr als verständlich, dass sich durch die notwendig gewordenen Näharbeiten der Beginn der Rundfahrt durch die Allee etwas verspätet. Die Stimmung ist dann trotzdem gut. Die Familie träfe sich jedes Jahr in Baden-Baden.

Das Töchterchen sitzt die ganze Zeit auf dem Bock neben der Kutscherin, glücklich darüber, ein Stück Zügel im Händchen halten zu dürfen. Derweilen erläutert Sabrina Möller die an der Strecke liegenden Sehenswürdigkeiten. Hier das Museum ‚Frieder Burda’, dort eine Villa, die erst jüngst für 8 Mio an einen reichen russischen Investor verkauft worden war. Mir erzählt sie nebenbei, dass es durchaus vorkäme, dass Gäste bei ihr einen Termin vor einem der bestens Hotels der Stadt buchten, dann aber nicht kämen, um hinterher darauf zu insistieren, sie selbst habe sich wohl im Termin geirrt.

Da, sagt sie, muss man durch. Ebenso, wenn an der Kreuzung Maria Viktoria-/ Fremersbergstrasse eines der Pferde äpfelt. Die Kutscherin steigt schnell vom Bock, räumt die Pfedemist in einen mitgeführten Eimer, steigt auf, rollt endlich in die Kreuzung, und dann passiert es: noch einmal äpfelt das Pferd. Da ist jetzt nichts mehr zu machen.

Die  in ihrem Cayenne hinterherfahrende schicke Mitvierzigerin sieht das freilich ganz anders. Hoch über den Niederungen des Pferdemistes thronend (Cayenne Werbung: „Über den Dingen“), echauffiert sie sich im klimatisierten Inneren ihres SUVs über alle Maßen und zeigt einmal mehr, wozu ein vierradgetriebener Porsche mit seinen 570 PS in der Innenstadt wirklich taugt: zum pädagogischen Hupen.

Sitzt hier die Lösung des Problems?

So etwas ärgert sie, auch wenn sie sich durch solche Störmanöver die Laune nicht wirklich verderben lässt. Dafür mag sie ihren Beruf zu gern. Und das Andere? Wie viele Selbständige in diesen Zeiten hofft sie, dass sich die personellen Engpässe ihres Betriebes demnächst endlich verbessern und dass die Arbeitsbelastung ihr wieder ein bisschen mehr Zeit für die Familie gibt.

Wie sie so auf dem Kutschbock sitzt, im Anzug mit Zylinder und zwei Pferden vor sich, weiß sie, was wir alle ahnen: das Leben ist halt kein Ponyhof. Aber schön, sagt sie, sei es doch.

 

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