Die PRAGER STUBEN in Baden-Baden. Daheim in der Fremde
Nach Baden- Baden sind schon viele gekommen.
Ganz zu Anfang waren es die Römer, die kamen. Sie wurde angelockt durch die Heilkraft der Quellen. Jahrhunderte später dann ein Franzose. Er hieß Jacques Bénazet und gründete eine Spielbank. Ihn lockte ihn die Heilkraft des Geldes. Dann kam die russische Zarenfamilie. Sie schätzte an der damaligen Sommerhauptstadt Europas das gute Klima und die Lichtentaler Allee. In ihrem Gefolge die russischen Dichter. Sie kamen, weil alle schon da waren. Unzählige Andere aber waren im Laufe der Jahrhunderte auch noch gekommen. Einer davon kam aus der damaligen Tschechoslowakei. In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts beschließt er, sich ebenfalls in Baden-Baden niederzulassen. Als Gastronom will er an die Tradition des west-östlichen Miteinanders anknüpfen und eröffnet ein Restaurant, das er die ’Prager Stuben‘ nennt.
Ein Sehnsuchtsort, zentral gelegen im sogenannten ‚Bäderviertel‘, nahe der heißen Quellen und nicht weit von der Spielbank. „Zurückversetzt in die Blütezeit der ewigen Stadt Prag“. Schon solche Formulierungen auf der Website lassen ahnen, dass es sich im Falle der ‚Prager Stuben‘ um einen Anachronismus handelt. Vielleicht ist dieses Lokal nie wirklich aktuell gewesen. Jedenfalls scheint es, als wäre im Laufe der Jahre weder Neues dazu- noch Altes weggekommen. Immerhin. So, wie es sich derzeit präsentiert, scheint die ‚Prager Stube‘ ein Refugium des Slawentums zu sein.
Wer anmerkt, dort würden Gäste aus aller Herren Länder verkehren, sollte hinzufügen, dass es überdurchschnittlich viele Russen, Tschechen, Polen dorthin zieht. Dorthin, wo der Geist des Soldaten Schweijk bemüht wird, um Identität zu stiften. Wo im Nebenzimmer verbeulte Blasinstrumente an der Wand hängen, die dem Gast suggerieren, dass, würde man sie vom Staub freiblasen, eine Böhmische Polka erklänge.
‚Alles muss sich ändern, damit es bleibt wie es ist‘. Was für alles gilt, gilt nicht für die ‚Prager Stuben‘. Da ändert sich gar nichts. Und alles bleibt, wie es ist. Da wäre zunächst einmal besagte Mastgans, die seit Jahren täglich frisch gebraten, im Eingangsbereich des Lokals liegt, um dort, gleich hinter dem schweren Vorhang, mit ihrem Bratenduft den Gast ins Innere des tschechischen Restaurants zu locken. Der Wirt weiß, was er macht. Das Konzept geht auf. Der Lockvogel wirkt.
Heute z.B. könnte eine fünfköpfige russisch sprechende Familie dem Duft erlegen sein, weshalb man sich gleich an dem runden Tisch links vom Eingang niedergelassen hat. Vater, Mutter und zwei Kinder. Und dann noch die Oma. Später werden auf dem Tisch drei gebratene Gänse in weitgehend abgenagtem Zustand stehen; offensichtlich hat es geschmeckt. Nur die Gans Nummer vier wird noch bearbeitet. Über sie beugt sich die ältere Dame, deren überschwerer Pelzmantel am weißgestrichenen Kleiderständer hängt. Ihr karottenfarbig strähniges Haar wird von einer grobmaschig gehäkelten Mütze zusammengehalten, die dem Schonbezug einer Bettflasche ähnelt. Die fünfte Gans scheint bislang kaum angerührt. Zuvor hatte die Familie schon eine Gemüsesuppe gegessen. Der Ober hatte sie aus einem elektro-beheizten Behälter geschöpft, der ebenfalls in Eingangsnähe steht. Rund und dickbauchig ähnelt er mit seinen vier abstehenden Griffen einer frühen Schiffsmine. Und die drei Messing-Füße erinnern an die Standbeine einer Rakete aus einem Sience Fiction Roman von Jules Verne.
Die Mutter gibt sich zeitgemäß….
Demnächst gibts mehr davon: Teil 2…