Die „Angry Girls“ im Museum Frieder Burda sind alles – außer niedlich
Ein kleiner Junge in einer ärmlichen, ziemlich chaotischen Umgebung malt und zeichnet gegen die Einsamkeit an. Eine Katze und ein Radio leisten ihm Gesellschaft, während die Eltern auswärts arbeiten, um das Überleben der Familie zu sichern. Dass Yoshimoto Nara (Jahrgang 1959) heute zu den wichtigsten Künstlern Japans und den internationalen zeitgenössischen Stilikonen zählt, verdankt er unter anderem den bösen kleinen Mädchen, die derzeit die Besucher des Frieder Burda Museums schon an der Fassade des Meier-Baus alles andere als willkommen zu heißen scheinen. Von den wütenden Blicken der „Angry Girls“ sollte man sich aber nicht abschrecken lassen! Die mit 127 Werken aus 31 bedeutenden Sammlungen bestücke Ausstellung zieht wohl jeden Besucher in ihren Bann und ist auch durchaus familienfreundlich gestaltet.
Kulleraugen, Schmollmündchen, bunte Kleidchen – das klassische Kindchenschema im Manga-Format verführt zur kompletten Fehleinschätzung. In Naras „Girls“ treffen Aufmüpfigkeit gegen die Erwachsenenwelt – durchaus vergleichbar mit Struwwelpeter oder Pippi Langstrumpf – auf die komplizierte Gefühlswelt eines Künstlers, der der Einsamkeit während seiner Kindheit und seiner Studienzeit im Ausland, darunter auch in Düsseldorf, starke kleine Persönlichkeiten entgegenstellt. „Immer wieder kommt die Frage, warum Yoshitomo Nara keine Jungen darstellt“, berichtet Kurator Daniel Zamani. Möglicherweise wollte er durch die angeblich schwächeren Mädchen die Eindringlichkeit seiner Botschaften noch verstärken. Jungen kommen bei ihm schlecht weg: So will ein verliebter Zopfträger seiner Angebeteten eine Blume überreichen, sie lächelt, während ihre Hand ein Messer umfasst.
Gern spielt er mit Klischees: Das ironische Bild „Home, sweet home“ bezieht sich auch auf das im Erdgeschoss nachgebaute „Elternhaus“ , zu dem der leidenschaftliche Musikfan selbst eine Begleitmelodie komponiert hat. Musik und Literatur aus aller Welt haben das gesamte Leben Naras begleitet und sein Werk geprägt, das neben Zeichnungen und Gemälden auch Skulpturen und Installationen umfasst. Herrlich frech die Verbindung zu traditioneller japanischer Frauendarstellung: Eine Geisha in Kimono und mit aufwändiger Haarpracht hält graziös eine Teetasse, in der ein Angry Girl im Miniformat sitzt. Nicht jede der vor allem politischen Botschaften erschließt sich auf den ersten Blick, professionelle Unterstützung liefern der Katalog (220 Seiten, 39 Euro) der Audioguide, Workshops für Kinder und Erwachsene sowie die privaten Familienführungen. In Kooperation mit dem Moviac-Kino sollen während der Ausstellungsdauer (27. April 2025) mehrere japanische Filme gezeigt werden.
(Irene Schröder)