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Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Essen & Trinken Stadtstreicher

Eis auf Räder

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Eisverkäufer in Rom 1820

Seien wir mal ehrlich: das Maiwetter war bislang ja nicht so toll. Bedeckter Himmel, Sturm, Regen. Es kann nur besser werden. In Erwartung kommender Sonnenstrahlen hatte ich mich deshalb schon mal meiner großen Leidenschaft hingegeben: Eis essen.

In Eis könnte ich mich – wie man so sagt – reinlegen. Meistens nehme ich drei Kugeln, was für mich genau in der Mitte zwischen zu wenig und zu viel ist. Zwei Kugeln wären zu wenig, vier zu viel. Was ich hier aber noch sagen sollte, ist, dass ich Eis gern mit Sahne esse. Das ist so eine Marotte von mir. Da bietet sich jetzt einmal der Vergleich mit einem Edelstein an: auch der braucht ja eine Fassung, um seine Schönheit voll zur Geltung zu bringen. So in etwa verhält es sich bei mir mit Eis und Sahne. Nur ist es beim Eis der Geschmack. Mit Sahne schmeckt’s mir halt noch besser.

In der Regel nehme ich mein Eis im Becher, denn es hat sich gezeigt, dass im Laufe des Verzehrs die gefrorene Masse flüssig wird. Ich fühle mich dann immer ein bisschen gehetzt. Beginnt nämlich das Eis zu schmelzen, bin ich gezwungen auf Tropfenjagd zu gehen. Nix für mich. Deshalb immer besser mit Becher. Ja, busbezogen könnte man sagen: ich bin ein Fahrgast der nicht tropft. So genießt es sich einfach entspannter.

Ziemlich unentspannt war es dann aber neulich, als ich mit meinem Eisbecher wieder mal in einen Bus steigen wollte. Den Vorschriften entsprechend betrat ich das öffentliche Verkehrsmittel durch die Fahrertür, knallte dabei ungebremst auf einen Busfahrer, der mich knapp beschied: Kein Eis! Vorschrift! Na ja, dachte ich: der Mann hat’s halt am Magen. Ich nehme den nächsten. Jetzt kam’s noch schlimmer. Im nächsten Bus saß am Steuer eine etwa 45jährige, stark berlinernde Amazone, die ich, wenn ich mich nicht täusche, schon mal in einem James Bond Film gesehen hatte. Dort spielte sie eine Stasi Generalin, die immer versuchte, die Agenten des MI 5 durch einen kleinen vergifteten Dorn, den sie aus der Spitze ihres Schuhs ausfährt, umzubringen. In meinem Fall ließ sie die Füße gottseidank auf den Pedalen, aber wie sie das ‚kein Eis im Bus’ bellte, erinnerte mich stark daran, dass die deutschen Einheit noch nicht in allen Lebensbereichen vollzogen ist.

Der dritte Busfahrer war etwas netter, trotzdem erfolgte ‚kein Zustieg‘. Man muss die Bibel nicht kennen, um nachvollziehen zu können, wie das mit der Herbergsuche im Heiligen Land gewesen sein könnte, als die Hl. Familie an Weihnachten Einlass begehrte und man sie draußen stehen ließ.

Derweilen begann mein Eis schon langsam zu laufen. Ich aber stand noch. Neben mir jede Menge Schüler, die, in je einzelnen ‚Friday for future’ Gruppen, umweltbewusst in vorfahrende Busse gestiegen waren oder noch steigen wollten. Was mir zwischenzeitlich auffiel – mittlerweile hatte ich mich zur zweiten Geschmacksrichtung („Amarena“) durchgespachtelt – war, dass sie den Bus nie durch die Fahrertür bestiegen, sondern praktischerweise gleich den hinteren Eingang nahmen. Während es also dort hinten zu massenweisen Verstößen gegen offensichtliche Vorschriften kam, hatte der Fahrer dadurch vorne im Bus bedauerlicherweise alle Hände frei, um einem grundehrlichen Eisesser wie mir mit Verweis auf eben diese Vorschrift den Zutritt zu verwehren.

Als sich nun der vierte Bus der Haltstelle näherte, mein Eisbecher noch keineswegs leer war, hatte ich erst mal genug. Ich ergriff die Gelegenheit, mischte mich zwischen eine halbe Schulklasse und bestieg wie diese den hinteren Teil des Busses. Dort setzte ich mich (Sichtschutz) mit dem Rücken zum Fahrer.

Jetzt war meine Freude groß. Ich genoss den Rechtsverstoß, denn während sich der Bus langsam in Bewegung setzte, gab ich mich zügig dem Genuss meiner dritten Eiskugel hin. Unbehelligt von Verboten, ließ ich mich in einen Zustand relativer Glückseligkeit schaukeln. Weit hinter mir der Fahrer. Vor mir die letzte Portion. Die Sorte heißt „Rhumba“, und keiner wird mir verdenken, wenn ich sage, dass ich gerade mit dieser Geschmacksrichtung immer ein bisschen Weite, Urlaub und Karibik verbinde. Frei von allen Zwängen. Chillen. Von Haltestelle zu Haltestelle.

Allgemein

Die ‚Große Woche‘ in Baden-Baden. Alle haben sich schön gemacht.

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Zum Pferderennen – Pastell eingestimmt

Ältere Baden-Badener werden sich wehmütig an die Zeiten erinnern, als die Große Woche ein wohliges Kribbeln bei Normalbürgern, Gastronomie und der Geschäftswelt auslöste, das sich prompt auf die Renngäste übertrug, die oft für die gesamte Dauer Hotelzimmer gebucht hatten und das berühmte Baden-Badener Flair samt Grand-Prix-Ball, Prominenz und Feuerwerk genossen. Tempi passati … Ein gelegentliches Plastikpferdchen an öffentlichen Plätzen und in Schaufenstern, kaum eine pfiffige Deko , aber wenigstens spitzenmäßiges Wetter. Und selbst das erzeugt in der Innenstadt nicht gerade gehobene Stimmung: Männerwaden zwischen Socken- und Bermudasäumen, Schlabbershirts und viel Freifläche in XXL bei Männlein und Weiblein, denn hier von Herren und Damen zu sprechen wäre nicht nur antiquiert, sondern schlichtweg unzutreffend. Dem Modegott sei Dank, dass wenigstens viele weibliche Formen von flatternden Maxi-Sommergewändern gnädig umspielt werden, falls nicht üppige Oberschenkel und Hüften die Dehnfähigkeit von Shorts und Miniröckchen austesten . Da ist man ja schon geradezu dankbar für orientalische Ganzkörperverhüllungen! Apropos Kleidung: Lange habe ich mich gefragt, woher der österreichische Künstler Erwin Wurm wohl seine Inspiration für die kopflosen Herren in pastellfarbigen Anzügen im Kurpark nahm. Nach zwei Aperol Spritz vor dem Kurhaus war mir klar: Die diesjährige Aktion „kunst findet stadt“ ist eine Hommage an unseren Oberbürgermeister, der bekanntlich auch gern in Pastelltönen seine Amtspflichten wahrnimmt! Und das zerbeulte Automobil an der Trinkhalle könnte auch durchaus Bezug zum aktuellen Rathauschef haben … 

Irene Schröder

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Ach, die Russen…Teil 1

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IMG_0597Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Für die Russen ist die Lichtentaler Allee so etwas wie die Rennstrecke in die Vergangenheit. Täglich machen sich ganze Scharen russischer Besucher auf, um sich spazierend zurück zu träumen in eine bessere Welt, damals, als Russland noch groß und der Zar noch am Leben war. Es hat den Anschein, als liebten die Russen die Allee. Fast noch mehr, als es die dort watschelnden Enten tun.
Wer beim allfälligen Spaziergang jedoch den Blick schweifen lässt, dem wird das Denkmal von Iwan Turgenjew auffallen, das, oft mit Blumen dekoriert, ebenfalls von der glorreichen Zeit berichtet, als Baden-Baden noch die ‚Sommerhauptstadt Europas‘ genannt wurde und der Zarenhof mit Kind, Kegel, Bediensteten und Mätressen alljährlich hier Quartier nahm. Und mit im Gefolge die Creme de la Creme der russischen Dichter, die als Hofpoeten allerdings nicht so recht taugen wollten.
Den Mythos begründet, dass Baden-Baden eine beinahe russische Stadt sei, haben sie allemal. Wer sieht, wie andächtig russische Besuchergruppen Dichterhäusern Referenz erweisen, wie ihre blonden Töchter einen Augenblick lang das iPhone vergessen und die Väter kurz den Blick vom ‚Löwenbräu‘ nehmen, der ahnt, wieviel auch dem einfachen Russen seine Dichter bedeuten. Und doch wäre es der russischen Selbsterkenntnis durchaus zuträglich, nähme man sich Zeit für deren Lektüre. Was ein Stück weit auch mit der derzeitigen Lage zu tun hat.

Es soll hier keineswegs die derzeitige Malaise Russlands mit den durch Putin und den seinen hervorgerufenen Großreichträumen im Detail dargestellt werden. Die Lage scheint nur so zu sein: bedingt durch den Absturz des Ölpreises nebst Sanktionen des Westens gerät das schwere Reich zunehmend ins Wanken, ja, es wird schon spekuliert, ob Putin das Jahr 2016 noch in seinem Amt erleben wird. Der Grund: Russland hat es in all den Jahren großer Einnahmen versäumt, selbst im Ansatz eine eigene produktive Wirschaft aufzubauen. „Je hochwertiger die Technologie, umso schwerer können wir die Importprodukte ersetzen“, erklärt Vladimir Zujev, Professor am Institut für globale Ökonomie der Moskauer Higher School of Economics. Hinzu kommen die riesigen Schäden durch Alkohol am Arbeitsplatz. Kurz: die Lage ist düster. Neu ist sie nicht.

Machen wir jetzt einmal den Russen die Freunde…..

 

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Ach, die Russsen…Teil 2

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IMG_0597Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Machen wir jetzt einmal den Russen die Freude, ihre Dichter zu lesen Da zeigt es sich, dass das Problem nicht neu ist. Schlagen wir z.B. den Roman auf, den Turgenjew – er wohnte hier von 1863 bis 1870  – 1867 verfasst hat. Er heißt ‚Rauch’ und hat Folgendes zum Inhalt: Litwinow, ein junger russischer Gutsbesitzer stattet Baden-Baden einen Besuch ab, um sich hier mit seiner Braut zu treffen. Hier gerät er in die Kreise verschiedenster Emigrantengruppen. In Gesprächen mit diesen zeichnet Turgenjew im Folgenden ein überaus kritisches Bild der damaligen russischen Gesellschaft, das ihm rückblickend mehr Verehrung einbringen sollte als bloß einen Tulpenstrauß vom nahegelegenen Netto Markt.

Zunächst einmal beschreibt er in einem Romandialog die Ambivalenz der Russen gegenüber dem Westen,  die sicherlich bis heute noch ihre Spur zieht.

„Kommen…zehn Russen zusammen“, lässt er da einen Potugin sagen, „so erhebt sich augenblicklich….die Frage nach der Bedeutung und der Zukunft Russlands….Sie kauen an dieser unglückseligen Frage herum wie Kinder auf einem Stück Gummi…Na, und bei dieser Gelegenheit ziehen sie dann natürlich auch gleich über den verfaulten Westen her. Welch ein Rätsel, man bedenke nur: Da schlägt er uns in allen Punkten, dieser Westen – aber er ist verfault! Wenn wir ihn wenigstens noch wirklich verachteten“.

An anderer Stelle scheint es, als hätte er die Faszination, die Ideologien auf Völker ausüben können, allgemeingültig beschrieben.

„…die Sklavengewohnheiten sind viel zu tief in uns verwurzelt, als dass wir uns so bald von ihnen frei machen könnten. Wir brauchen immer und überall einen Herren…“ Oder, wie er es nennt: „eine sogenannte Richtung“. Damit meint er eine Idee, eine Ideologie, und es scheint naheliegend, hier den späteren Kommunismus oder das derzeitige Streben nach Großrussland zu sehen.

Daran anschließend bleibt er aber völlig aktuell, so z.B. wenn er die (damalige) vollständige Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Rohstoffexport anspricht, der ja ein großes Stück auch heute wieder verantwortlich ist für die wirtschaftliche Misere. So lässt der Dichter seinen Protagonisten sagen: „Ja, Rohstoffe, unverarbeitete Erzeugnisse….Diese Rohstoffe sind größtenteils nur deshalb so gut, weil es in anderer Hinsicht bei uns gotteserbärmlich aussieht“.
Um dann eine weitere Misere anzusprechen, das Ausbleiben jeglicher Innovationsfähigkeit.

„Die russische Erfindungsgabe! Unsere Herren Gutsbesitzer beklagen sich bitter und erleiden große Verluste, weil es keine brauchbare Korndarre gibt…Und warum gibt es sie nicht, weil der Deutsche sie nicht braucht…Wir aber sind nicht dazu imstande (sie zu entwickeln. d.V.)! Sind nicht dazu imstande, und damit basta!“

Interessant in diesem Zusammenhang….

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Ach, die Russen…Teil 3

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Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Interessant in diesem Zusammenhang der folgende Vergleich. Im Zeitraum von 2003 bis 2012 erhielten Anmelder aus Deutschland 130.032 Europäische Patente. Die Zahl der Europäischen Patente, die aus Russland stammten, betrug in dieser Dekade gerade mal 462.
Wie aber klingt diese Einsicht im Buch?
„…und Russland hat auch im Laufe von zehn Jahrhunderten nichts Eigenes hervorgebracht,“ lässt da Turgenjew seine Person sagen, „weder in der Verwaltung noch in der Justiz, weder in der Wissenschaft noch in der Kunst, ja, nicht einmal im Handwerk“.
So hart also spricht der so überaus geliebte Dichter zu, nein besser: über die Seinen.
Es scheint, dass sich über all die Jahrhunderte nichts Gravierendes geändert hat. Im jedem Fall aber zeigt sich, dass es der Liebe zu einem Dichter nicht unbedingt abträglich sein muss, wenn man ihn nicht gelesen hat. Aber vielleicht ist es einfach so: was man nicht – lesend – erkannt hat, kann oder will man auch gar nicht ändern.
Ein kleines Zitat sei uns hier noch gestattet. Hugh Thomas fasst in seinem Werk ‚Geschichte der Welt‘ das ganze Übel so zusammen: „Der mittelalterliche Großpflug war – bis zum russischen Roman des 19. Jahrhunderts – der einzige Beitrag der Slawen zum Fortschritt der Menschheit“.
Wie das mit unseren Russen so weitergeht, wissen wir nicht. Immerhin aber haben wir ihren Roman.

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