Über 100 000 ‚follower‘ hat jetzt unsere Seite, d.h.: 100 000 Leute haben uns schon angeklickt. Zeit für Urlaub. Jetzt aber los.
Nun gut. Es ist nicht die allererste Adresse, die ich mir bei der Suche nach einem Appartement in Lissabon ausgesucht habe. Dafür liegt es in der ‚Alfama’, sehr zentral also und historisch bedeutsam. Das Haus, in dem ich Quartier genommen habe, lehnt sich mit dem Rücken unmittelbar an die alte Stadtmauer. Es war die Nähe zum Hafen und die königlichen Quelle, die die Gegend für die Eroberung der Neuen Welt nicht ganz unwichtig machte. Hier fassten die Schiffe vor dem Auslaufen Trinkwasser. Sicher, die Bleibe ist günstig. Dafür gibt’s einen Fernseher, WLAN, ein kleines Bad und ein Schlafzimmer. In der Küche vermisse ich den Eisschrank, dafür habe ich eine Waschmaschine, die den Begriff ‚Weiße Ware’ so recht nicht mehr verdient. Sie stammt aus der Zeit, als Bauknecht noch wusste, was Frauen wünschen. Unten lärmen Kinder, Omas rufen sich über die Gasse Wichtiges zu. Straßenleben.
Als mir dann gleich nach dem Bezug des Appartements das zum Trocknen vor’s Fenster gehängte Handtuch auf den Balkon des unter mir wohnenden Mieters fällt, entfaltet die Gegend ihren eigenen Charme. Zunächst habe ich den Verlust des Handtuchs gar nicht bemerkt. Als ich dann in die Wohnung zurückkehre, erblicke ich beim Nähertreten vor dem offenen Fenster einen Angelhaken, an dem das gute Ding hängt. Der über mir wohnende Nachbar, offensichtlich ein erfahrener Angler, hatte mein Handtuch auf dem unteren Balkon bemerkt und mit der konzentrierten Kompetenz eines vormaligen Seefahrers das flauschige Weis mit dem Angelhaken gefasst und dann für mich auf Blickhöhe gehoben. Nachbarschaftshilfe.
Dann gibt es unten in der kleinen, gepflasterten Strasse noch eine Art Loch in der Hauswand. Dahinter befindet sich offensichtlich ein kleiner Saal. Überschrieben hat man das Ganze mit ‚EVOHE’, was bei Jacques Offenbach der Ruf des Bacchanten meint. Aus diesem Loch kommen und gehen, ähnlich wie Fledermäuse, eine unendliche Menge an jungen Menschen, die ans Licht getreten, im Freien Bier aus der Flasche trinken und Selbstgedrehte rauchen. Es handelt sich dabei wohl um eine Art Trainingslager für kommende Schauspieler, und als ich vorsichtig frage, was gespielt wird und ob auch Shakespeare vorkäme, belehrt man mich ernst und freundlich: man spiele sich selbst. Also wohl eine Art ‚method acting’. Mit dem Ausdruck können sie nichts anfangen. Man bittet mich aber umgehend ins Inner der Höhle. Dort sitzt gleich hinter dem Tor ein nettes Mädchen an einem runden Tisch und bietet mir an, doch meine Mailadresse zu hinterlassen. Anfang Juli wird gezeigt, was man gelernt hat. Die Methode sucht also offensichtlich noch Publikum.
Nicht weit von meiner Bleibe öffnet sich ein undurchschaubares Gewirr von Gassen, dessen chaotischer Verlauf nur von denen verstanden wird, die hier geboren sind. Es handelt sich dabei um das alte Judenviertel, das, so steht zu vermuten, kurz vor der Gentrifizierung steht. Die Bevölkerung von Lissabon, arm an Industrie, bezieht wohl die überwiegenden Einkünfte aus dem Tourismus, und so schiebt sich langsam aber sicher die Touristenwelle auch noch in die entlegeneren Stadtteile. Vor allem scheint zunehmend die gestresste Jugend Europas in Lissabon die verdiente Entspannung zu suchen. Jedenfalls konnte man diesen Eindruck gewinnen, denn in einem barähnlichen Lokal hatten sich neun ca 13 Jahre Mädchen aus Deutschland zum Latte Macchiato eingefunden, um dort gemeinsam in Modezeitschriften zu blättern und mit den Handys zu hantierten. Man hat eine schöne Zeit. Lissabon ist auf dem besten Weg, zu einer ‚Destination’ zu werden.
Doch ist mir weniger nach neuzeitlichen Lolitas als nach den noch verbliebenen Ureinwohnern. Diese entdeckte ich nach längerem Suchen in einem ganz alten Lokal mit dem Namen. ‚Nova Alfama’. Diese Adresse ist also offensichtlich von der Neuzeit noch nicht erfasst. Hier scheint also des Volkes wahrer Himmel, der, und das ist offensichtlich, vor allem von Einheimischer bevölkert wird. An zwei Tischen eine ganze Familie. Das sollte einen nicht wundern, denn der Reiseführer hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass man sich mit Portugiesen schlecht verabreden kann, denn immer stünde die Familie im Vordergrund. Hier also trifft man sich. Gut gelaunt und bestens bekannt.
Wie wird es weitergehen mit dem Essen? Mehr demnächst. Hier.
Foto Lissabon mit freundlicher Genehmigung durch:
Von I, Tonperenstring, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2346368