Eine Richtigstellung, Leo Wohleb betreffend
Wir hatten uns an dieser Stelle in letzter Zeit verstärkt mit unseren schwäbischen Brüdern und Schwestern befasst. Nun glaubten wir, dem Thema sei vorerst Genüge getan. Da erreichte uns kürzlich eine Meldung, die es dringend erforderlich macht, sich des Themas noch einmal anzunehmen. Um was dreht es sich?
Die Rede ist von einem braunen Umschlag, der vom Ministerpräsidenten des Landes Baden -Württemberg dem Staatsarchiv in Stuttgart übergeben worden war. Der Inhalt: Informationen über den Sterbeort und die mögliche Todesursache des letzten, des großen Staatspräsidenten von Baden, Leo Wohleb.
Gerüchte unappetitlichster Natur hatten zuvor die Runde gemacht, was dazu geführt haben mag, dass voller schaudernder Abscheu die pietistischen Vertreterinnen der innerministeriellen Kehr-wochen das braune Couvert von Zeit zu Zeit abstaubten.
Wie verhielt es sich nun aber mit Leo Wohleb? Dieser war, nachdem er sich im Kampf für ein Bundesland Baden den Heimtücken und Winkelzügen der Baden-Württemberg Fraktion geschlagen geben musste, von Konrad Adenauer mit dem Posten des deutschen Botschafters in Portugal betraut worden. 1955 begleitete er in dieser Aufgabe den portugiesischen Gesandten nach Frankfurt, wo der Badener dann aber leider an einer plötzlichen Herzlähmung verstarb.
Hier gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass Leo Wohleb im Amte verschied. Das bedeutet, dass sein lediglich 1,55m großer Körper den Strapazen der Aufgabe nicht mehr gewachsen war. Es verhielt sich ja sicherlich so, dass er den besagten Abend mit seinem portugiesischen Kollegen verbracht hatte, und wer weiß, wie anstrengend Portugiesen sein können, mag ermessen, wie groß das Opfer für den kleingewachsenen Badener gewesen sein muss. Nachdem er den Kollegen endlich los war, gedachte er der noch jungen Bundesrepublik einen Gefallen zu tun und zog vom noblen und teuren Hotel ‚Frankfurter Hof‘ in ein preiswertes Hotel in Bahnhofsnähe. Das ist nur zu verständlich, weil er wahrscheinlich am nächsten morgen früh los wollte, um den Zug nach Lissabon nicht zu verpassen.
Man mag sich so richtig vorstellen, wie der verdiente Kämpfer für unser geliebtes Baden vor dem Zubettgehen in diesem „Hotel minderer Güte“ (so der Politologe Hans-Georg Wehling) wohl noch ein letztes Glas nahm, ganz einfach, um noch ein bisschen abzuschalten, vielleicht auch, um irgendwie runterzukommen.
Als gebildeter wie sozialer Mensch hatte er stets als eines seiner Vorbilder den Berliner Studentenseelsorger Carl Sonnenschein bezeichnet, der „das praktische soziale Engagement als Mittel zur Wiedergeburt des katholischen Menschen“ einforderte. Diesem Geiste wusste sich Leo Wohleb Zeit seines Lebens verpflichtet, bis er in diesem Geiste zu guter Letzt der Bedienung in dem Hotel sicherlich noch ein Piccolöchen spendierte, dabei das soziale Gespräch suchte, um dann, erfüllt von seiner Passion der tätigen Menschenliebe, das Zeitliche zu segnen. Er war am Ende seines Lebens angekommen.
Dass der Frankfurter Polizeipräsident anschließend „für diskrete Verbringung in ein Krankenhaus“ gesorgt hatte – nun, ja, was hätte man sonst tun sollen?
Jedenfalls hatte ein großes badisches Herz aufgehört zu schlagen. Die Bedienung und wir alle vermissen ihn.