Als erstes würde ich meine Ernährung ein bisschen umstellen müssen.
Zum Frühstück gibts dann erst mal Apfelkuchen. Nach einer kleinen Mahlzeit zu Mittag könnte man sich vorstellen, ein Stückchen Selbstgebackenes zu sich zu nehmen. Zum Nachmittagskaffee natürlich auch wieder Kuchen, zur Abwechslung mit Sahne.
Und trotzdem würde es nicht reichen, den Kuchenberg abzutragen. Was also jetzt?
Als erstes bekam der Buchhändler im Erdgeschoss ein Stück Kuchen. Da hatte ich ohnehin etwas gut zu machen. Als bei ihm neulich ein Paket von Amazon für mich abgegeben worden war (Inhalt zwei DVDs), hatte er böse geschaut. Vielleicht konnte ich ihn durch meine Gabe wieder etwas freundlicher stimmen. Später, als mir der Bote von DHL ein anderes Paket brachte, dachte ich, es wäre ein guter Gedanke, auch dem Mann aus Schwarzafrika mit einem Stück Apfelkuchen eine vorweihnachtliche Freude zu machen. Der wollte aber lieber Geld.
Also weitersuchen. Abends in meiner Stammkneipe, führte ich zum ersten mal ein Stückchen Kuchen mit. Otto war schon da und sass vor einem Bierdeckel, der bereits eine beachtliche Menge Striche aufwies. Ihm täte etwas Süsses sicherlich gut. Als er die Folie beiseite schob, kuckte er mich an, als wollte er damit andeuten, dass ein Bier als Sättigungsbeilage auch nicht schlecht wäre. Irgendwie hat alles seinen Preis.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der süsse Bestand noch nicht wesentlich reduziert. Ich musste weitere Absatzziele suchen (ich kann keine Lebensmittel wegwerfen). Im Ansatz zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt bereits ab, dass sich mein Problem ohne einen Vertrieb im innerhäuslichen Bereich nicht lösen ließ. Hier bot sich die türkische Familie im dritten Stock an, die mit ihren Töchtern ganz bestimmt großen Bedarf an Apfelkuchen hätte. Ob es stimmt, dass man in diesem Kulturkreis Geschenke und Einladungen auf keinen Fall zurückweisen darf? Was ja gut passen würde. Da das Ehepaar bis tief in die Nacht arbeitet, schlich ich mich in völliger Dunkelheit vor ihre Wohnung und deponierte dort meine Gabe auf der Ablage vor der Wohnungstür. Ein kurzer Blick zurück. Kein Licht hinterm Türspalt. Alles ruhig. Nix wie weg. Da ich die Töchter nie ohne Handy gesehen hatte, würden sie vermutlich den Kuchen als erstes fotografieren und dann auf Facebook posten. Anschließend würden sie ihn mit ganz vielen Followern teilen. Dann wäre der ja weg. So, stellte ich mir vor, würde sich das abspielen.
Allmählich wurde es auf der Kuchenplatte leerer. Ich hatte eine ruhige Nacht
Kleiner Nachtrag: Zwei Tage später stand eine große Platte mit ziemlich süssem türkischem Gebäck vor meiner Wohnungstür.