Mit der Politik geht es vorwärts. Auf der Autobahn.
Ich hatte mir das Datum genau gemerkt. Es war am 14. September diesen Jahres, als ich mit meinem Audi auf der Autobahn A 5 behutsam nach Norden rollte.
Das hatte an diesem Tag nichts mit meiner üblich kontemplativen Fahrweise zu tun. Die Schleichfahrt war vielmehr geboten, da es in Strömen goss, weshalb der Verkehr eher schwamm als dass er fuhr.
Nun ist es ja bedauerlicherweise nicht so, dass alle Verkehrsteilnehmer ein Unwetter im gleichen Maße als geschwindigkeitsreduzierend ansehen. Wer die Werbeversprechen der Reifenhersteller ernst nimmt, könne tatsächlich meinen, dass die Gesetze der Physik nicht für alle gelten; eine leider bittere Erkenntnis. Allerdings, auch das muss gesagt werden, passten an diesem Tag die meisten Verkehrsteilnehmer ihr Tempo den Wetterbedingungen an. Das heißt: die meisten, aber eben nicht alle. Denn von hinten näherten sich mit Blaulicht und lärmendem Martinshorn mehrere Fahrzeuge, die, trotz stärksten Regens – man muss es hier mal so sagen – auf der Autobahn die Sau rausließen.
Unzweifelhaft gibt es Situationen, da brachiale Fahrgewalt geboten ist, etwa wenn ein Notarzt dringend benötigt oder die Feuerwehr zu einem Einsatz gerufen wird. Da macht man gern Platz, wünscht alles Gute und denkt: hoffentlich kommen sie nicht zu spät.
Anders beim Einsatz des Blaulichts an diesem regenschweren Tag. Da waren selbst durch den Gischtschleier vier schwere schwarze Limousinen mit Stuttgarter Kennzeichen zu erkennen. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass es sich bei dieser Kamikazenfahrt keineswegs um einen Krankentransport handelt, sondern um den Transport eines Spitzenpolitikers vom Wirkungsort A zum Wirkungsort B.
Wer im einzelnen diese alle Verkehrsteilnehmer gefährdende Horrorfahrt angeordnet hatte, dürfte schwer zu eruieren sein. War es der Ministerpräsident? Wer seine übliche Redegeschwindigkeit kennt, ist geneigt, zu sagen: eher nicht. Oder war es der ehemalige Ministerpräsident Günther Oettinger, gehandelt als möglicher Wirtschaftsminister im Kabinett Merkel, der auf der A 5 zum Bewerbungsgespräch rast?
Dieselkritische Geister hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass die Feinstaubbelastung die Mortalitätsrate der belasteten Anwohner stark in die Höhe treibt. Die Schuld mag man vor allem auch beim politischen Personal sehen, das sich offensichtlich weigert, diesem Übel entschlossen zu begegnen. Doch muss das nicht zwingend so sein.
Trotzdem wird vor Entwarnung gewarnt.
Denn wer als Wähler bis dato nicht Opfer der Dieselabgase geworden war, der hätte an diesem verregneten Tag auf der A 5 durchaus Gefahr laufen können, durch die Fahrpraxis unserer Amtsträger zu Schaden zu kommen. Und zwar nachhaltig.