Wie immer um einen passenden Vergleich ringend, formulieren wir es jetzt mal so: wie eine üppige Fischpopulation auf gute Wasserqualität verweist, so zeugt ein hoher Anteil von Frauen in Lokalen und Kneipen auf ein gut geführtes Haus. Spätestens da wird offensichtlich, dass es sich um keine dumpfe Bierwirtschaft handelt, wo Altlinke etwa der vergangenen Revolution nachtrinken, sondern es zeigt sich, dass an diesen Tischen die Neuzeit in ihrer emanzipatorischen Form Einzug gehalten hat. Recht so!
Allerdings müssen wir in unserem fortgesetzten Bemühen um eine ausgewogene Sichtung darauf hinweisen, dass das, was wir oben so süffig formuliert haben zugleich auch seine Schattenseiten hat. Natürlich muss jeder modernen Frau das Recht zugestanden werden, in der Gastronomie ihren Platz zu finden. Doch wird man dieses Recht nicht grundsätzlich in Frage stellen, wenn man darauf verweist dass eine gute Frauenbelegung dem Umsatz nicht unbedingt in dem Maß zuträglich ist, wie ein – sagen wir mal – euphorisch gestimmter Männerstammtisch. Dies liegt zum Großteil am üblicherweise gepflegten Zeitmanagement, was sich schon daran zeigt, dass an Frauentischen enorm viel Zeit verplempert wird durch ein unvorstellbar aufwändiges Begrüßungsritual.
Während der erfahrene (männliche) Stammgast bereits beim Betreten des Lokals durch eine kleine unscheinbare Geste dem Personal kundtut, dass er das Übliche nimmt, verplempert die schon anfänglich heiter gestimmte Frauengruppe lange vor der eigentlichen Bestellung viel Zeit mit einem aufwändigen Begrüßungsritual. Selbst wenn der Tisch bereits voll besetzt ist, fordert es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die eben Eingetroffene jede der Freundinnen einzeln herzt, was durch ein Auf- und Abstreicheln des Rückens geschieht und Vertrautheit, ja, menschliche Nähe suggeriert. Unabdingbar für den Empfang der Streicheleinheiten dabei ist allerdings, dass alle, die sich bereits gesetzt hatten, noch einmal aufstehen, um sich, nunmehr hinter dem Tisch hervorgekommen, dem Prozedere zu unterziehen.
Da die Gruppe das Aufhängen von Mänteln an der vorgesehenen Garderobe nicht ernstlich in Betracht zieht, ist kaum zu vermeiden, dass grellfarbige Kunstpelze, aber auch lustige selbstgestrickte Mützen (mit Öhrchen) und Schals aus Ländern ohne funktionierende Zivilgesellschaft von der Stuhllehne rutschen, worauf der Stuhl vor der herzlichen Wucht der Begrüßungszeremonie kapituliert und umfällt.
Überflüssig zu erwähnen, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Bestellung abgegeben wurde, weshalb unnötige Zeit verstrichen ist. Obwohl ein eventuell zu erwirtschaftender Umsatz lediglich mit Mineralwasser erzielt, also denkbar gering sein wird, gelingt es den weiblichen Gästen schon vor der eigentlichen Konsumation mühelos, durch hochfrequenzige Lärmerzeugung (Lachen. Quieken. Kichern.) jeden Männerstammtisch um Dezibel zu übertönen.
Ist der Lärm an sich schon enorm, kann er allerdings noch gesteigert werden durch das Zuführen auch kleinster Mengen Alkohol. Selbst das Nippen an einem normalen Gläschen Sekt – der traditionelle Aufwärmer – reicht vollständig aus, um die Anwesenden glauben zu machen, die Stimmung habe sich schon früh dem Siedepunkt genähert. Das wäre dann wie Kochen ohne Wasser.
Nüchtern betrachtet könnte es also auf einen Vergleich etwa dergestalt zulaufen: ein fideler Frauenstammtisch auf Mineralwasserbasis – das ist etwa so, als sei der Kölsche Karneval letztlich nur eine Illusion, hervorgebracht durch das Hochwerfen eines einzelnen Konfetti-Schnipsels.