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Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Stadtstreicher

Die Fremdenführung

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Bismarck 2-1

Wie die Bismarck-Statue einen Baden-Badener ziemlich auf Trab hält

Wer wie ich in der Fußgängerzone wohnt, kommt nicht umhin, sich bisweilen als Stadtführer zu betätigen. Hier gilt es, fremden Besuchern Rede und Antwort zu stehen. Vor allem das Standbild des in diesem Jahr seinen 200ten Geburtstag feiernden Otto von Bismarck erregt die Neugierde der Fremden, ein Monument, das, hoch aufgereckt, Zeugnis davon ablegt, dass dieser 1895 zum Ehrenbürger der Stadt Baden-Baden ernannt worden war. Worauf ihm die Stadt 1915 ein Denkmal errichtete, an dem ich mich derzeit halt abarbeite.
Vielleicht war Bismarck seinen Baden-Badenern nicht immer nah, den meisten Besuchern aber ist er fremd. Man sollte ihm das nicht anlasten, aber anders als Beckenbauer, ist der Eiserne Kanzler den ausländischen Gästen doch ungleich schwerer zu vermitteln. Am besten geht das vielleicht noch über einen Vergleich.
Vergleichsweise leicht z.B. tut man sich beim durchschnittlichen Amerikaner. Den entlässt man zwar ein bisschen ratlos aber auch irgendwie zufrieden, wenn man den Eisernen Kanzler einen ‚Iron Man’ nennt.
Der Italiener hingegen ist ziemlich verstört, rücke ich ihn, um einen wirklichen Vergleich verlegen, das Standbild in die Nähe des Duce, was zwangsläufig zu kurz greift.

Auch der Brite ist nicht leicht zufrieden zu stellen. Hier könnte man eine vage Assoziation von Bismarck hin zu Art Richard III. herstellen. 1485 in der Schlacht vonBismarck  Bosworth gefallen, waren seine Gebeine erst kürzlich wiedergefunden worden. Geht aber auch nicht, denn der Eiserne Kanzler war, anders als der damalige König von England, keineswegs buckelig und zudem von niederem Adel. Kurz: der Vergleich hinkt. Außerdem hatte man Bismarck nicht unter dem Parkplatz eines Supermarktes beigesetzt.

Schwer tut man sich aber auch mit den Gästen aus der vormals sowjetischen Hemisphäre, die zunächst ihre in Stein gemeißelten Führer geliebt hatten, sie dann vom Sockel stürzten, das jetzt aber schon wieder bedauern. Immerhin betrachten sie den Dargestellten fast liebevoll. Hier mag viel Erinnerung ans Monumentale mitschwingen.

Klar, die von dem Ettlinger Bildhauer Oskar Alexander Kiefer geschaffene Steinbüste ist mit ihren 13 Metern ziemlich mächtig geraten. Eine stattliche Höhe, die der herausragenden Stellung Bismarcks voll gerecht wird. Daraus kann der Besucher deutlich erkennen: nur wer wirklich bedeutend ist, kommt in Baden-Baden ganz groß raus.

Allgemein Essen & Trinken

„Die Schusswunde schützt man vor Fliegen durch Zubinden…“

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Kochen wie in den Kolonien. Eine Anregung für’s kommende Fest

Foto Uwe Schiereck

Bevor Sie, lieber Leser, liebe Leserin sich auch an diesem Weihnachtsfest wieder vorschnell für das übliche, Schäufele und Kartoffelsalat, entscheiden, lassen Sie mich bitte ganz kurz auf mein Erbe zu sprechen kommen. Aus dieser Erbmasse ist mir ein Buch geblieben, das Ihnen gerade in Zeiten allgegenwärtiger Globali-sierung vielleicht ein Stück weit Augen und Gaumen auch für neue, fremde Formen des Genusses öffnen wird. Und wer weiß: vielleicht geben Ihnen die hier vorstellten Speisen auch kleine Anregungen fürs nahe Fest. Ein Tip, sozusagen.

Wenn uns das anspricht – was würde uns dann erwarten? Der Titel des Werkes, auf das ich mich hier beziehe, heißt: „Praktisches Kochbuch“. Verfasst hat es Henriette Davidis. Erschienen ist das Werk 1844, und wurde nach mehreren überarbeiteten Auflagen 1911 von Rudolf Zäch durchgesehen und überarbeitet. Ein außergewöhnliches Werk, 1110 Seiten stark, das seinen Reiz vor allem daraus bezieht, dass es uns, neben vielen anderen nützlichen Hinweisen, und mit dem Einfügen  des neuen Kapitels „Die Tropische Küche“ einstimmt auf die Herausforderungen der neuen Zeit.  

Geplantes Wappen

Damals hatte auch Deutschland ‚zu guter Letzt‘ einen Platz an der Sonne erobert. Auch Deutschland hatte seine Kolonie. Diese sollte  fortan ‚Deutschsüdwestafrika‘ heißen. Viele zog es  nun weg aus „unserem übervölkerten Deutschland“ ins ferne Afrika, und so galt es, die Küche des ‚Gastlandes‘ den neuen Siedlern nahe zu bringen. Was sich dann auch als überaus sinnvoll erwies, denn es war nicht zu übersehen: „Meist magern die Weißen in den Tropen rasch ab“. Muss irgendwie am Klima liegen.  Was kann man dagegen tun?  „Namentlich in der Zeit der Rekonvaleszens, nach Klimafieber und Ruhr, ist eine kräftigende und angepasste Kost von großer Wichtigkeit“. Eine solche ins Zentrum der Betrachtungen zu stellen, machen sich die Verfasser zur noblen Aufgabe. Denn es gilt, gastronomisches Neuland zu betreten. Afrika auf den Tisch, so lautet die viele Seiten lange Herausforderung.

Und siehe da: wie reich die Savanne doch ist! Und was kann man da nicht alles essen! Z.B. den Höcker eines Zebus. Wichtig ist die Zubereitung.  Selbstverständlich sollte man ihn vor dem Kochen erst einmal enthäuten. Haben wir das hinter uns, verfahren wir mit dem Stück ganz normal, so, wie wir es auch vom Fleisch der in Deutschland lebenden Tiere gewohnt sind. Wir geben Salz, Pfefferkörner, Suppenkräuter dazu. Serviert wird der Zebu-Höcker dann mit einer Remouladen- oder Cumberlandsauce.

Der afrikanische Elefant ist rechts abgebildet. Man beachte den Fuss.

Jetzt zum Elefantenfuß! Er wird ähnlich zubereitet wie der Zebuhöcker, lässt uns aber darüber hinaus noch die Wahl, in welchem Zustand wir die Speise genießen: „Die gutgesäuberten und gewaschenen („Elefanten-“ d.V.) Füße … können nun warm oder auch kalt in ihrer gallertartigen Brühe serviert werden.“ Über die Größe des benötigten Topfes macht das Buch leider keine Angaben. 

Wer’s ein bisschen kleiner mag, versucht es mal mit einem Antilopenkopf, oder, falls beim Metzger zu haben, einem Affenrücken. Laut Kochbuch wird er, ähnlich wie Hasenbraten, mit Specktreifen gespickt und dann „in heißer Butter unter fleißigem Begießen in sehr heißem Ofen rasch gargebraten“. Weiter empfiehlt sich das Hinzugeben einer „Fleischbrühe aus Maggis Bouillionwürfeln“, eine Empfehlung, die man unbedingt ernst nehmen sollte, denn Maggi hatte das Kochbuch gesponsort, und so wird es in Deutschsüdwestafrika gerochen haben wie in Singen am Hohentwiel, der Heimat des Brühwürfels.

Weiter finden wir im Buch Rezepte für den Tapirbraten und auch für eine Antilope. Wie man Flusspferdefleisch zubereitet, lassen wir hier jetzt mal beiseite. Im Wesentlichen verfährt man mit ihm wie mit dem Antilopenkopf. Eigentlich ganz einfach, aber bitte Maggi nicht vergessen.

Nun kann es ja sein, dass Sie in einer besonders hippen Gegend wohnen, wo der Metzger einen diagonal über der Brust geführte Schürze trägt, ein Nerd ist und sich Butcher nennt. Er wird neben Dry Aged Steaks, saisonbedingt vielleicht auch mal Störche im Festtagsangebot führen („auf Vorbestellung“). Hier muss man aber – so empfiehlt das Kochbuch – unbedingt fragen, ob es auch wirklich junge Tiere sind. Ansonsten unbedingt darauf achten: „Alte Störche legt man 36-48 Stunden in eine Essigmarinade“. Anschließend wie gehabt: Fleischbrühe, etwas Thymian und, nach Belieben, sauern Rahm dazugeben. Kein Maggi.

Jetzt aber noch eines. Sollten Sie am Hl. Abend Gäste einladen, muss man sich vorsehen. Nicht jeder ist so weltoffen, wie er tut. Waren die Freunde schon mal in Afrika, sind also bereit, sich unterm Baum auf Neues einzulassen, kann man es spannend machen. Man hält dann mit der Wahrheit noch etwas hinterm Berg. Köstlich wäre es z.B., das Festmahl mit dem ungezwungen, fröhlichen Ruf: „Überraschung!“ einzuleiten, um dann erst nach dem Mahl mit der ganzen Wahrheit herauszurücken.

Scheint es aber, bedingt durch etwaige Empfindlichkeiten der Gäste, angebracht, diese über die Herkunft des Wild-Bratens im Unklaren zu lassen, dürfen Sie darauf zählen, dass ein noch nicht vollständig ausgewachsener Storch (erst mal „haut man Hals, Flügel und Füße weg“ – so das Kochbuch) selbst bei näherer Betrachtung locker als Stubenküken durchgeht.

Hat er allen geschmeckt, wäre das Problem, wie man so sagt, ohnehin vom Tisch.

 

PS Und ach, noch etwas. Sollten Sie es an den Feiertagen für angebracht halten, eine Aushilfe auf Teilzeitbasis zu beschäftigen,  dann Obacht: „Die Behandlung des eingeborenen Dienstpersonals will auch erlernt sein. Es gibt unter ihnen viel arbeitsscheues Volk…“

Essen & Trinken

D’r Hans us’m Schoogeloch

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Warum immer mehr Elsässer zum Essen ins Badische kommen

Foto 3_klLangsam zieht der Storch seine Bahn. Ein letzter Schlag seiner mächtigen Schwingen, dann hat er den Rhein überquert und ist – das Elsass hinter sich lassend – im Badischen gelandet. Er liebt ihn, den kleinen Grenzverkehr. Und er ist nicht allein. Storch und Elsässer – beide treibt die Suche nach Nahrung nach Baden. Beide sind auf der Suche nach Essbarem, wobei der Elsässer dem Froschschenkel ausdrücklich adieu gesagt hat. Es scheint, als hätte er seit längerem die Badische Küche für sich entdeckt.

Hinter sich gelassen hat er die Verführungen der heimischen Küche, z.B. das übliche Hors d‘ Oevre‚ was in der Regel die ‚Assiettes de crudites´ beinhaltet und bei dem sich ein paar farbstoffanimierte Wursträdchen an drei müde Salatblättchen schmiegen. Vielleicht gibt’s vorher aber auch eine Scheibe Pâté, deren Einkaufspreis (‚Prix choc’) man aus der Wursttheke des ‚Hypermarche’ kennt. Viele haben vielleicht auch genug vom ‚Choucroute garni’, bei dem die schiere Masse des Gebotenen verdeckt, dass die Würste und der ganze liebe Rest zu lange im Siedewasser gelegen waren und nach rein garnichts mehr schmecken. Das Wasser hätte man besser verwendet, um die Kartoffeln nach guter alter VaterMütter Sitte zu kochen. Gibt’s aber nicht. Die ‚Krumbeere’ sind meist in Heißluft gegart, was ihnen die fahle Farbe eingetrieben und den Geschmack ausgetrieben hat.

Der eine oder andere hatte vielleicht auch genug vom ‚Wädele’, das es sich, mit eigenem Fett reichlich gepolstert, auf dem Teller mit ‚Hansi’ – Dekor gemütlich gemacht hat.

Genug hat man vielleicht auch von den elsässischen Bieren, die – ursprünglich der Stolz französischer Braukunst – ‚Fischer’ oder ‚Kronenbourg’ heißen und die für den hiesigen Durst nicht übermäßig geeignet sind. Ob darüberhinaus ein französischer Hahn danach kräht – auch daran mag man zunehmend zweifeln.

Wer allerdings kein Bier mag, dem steht es frei, einen Wein zu bestellen. Im Glas findet er dann oft genug – wo nicht gar den Edelzwicker – einen Allerweltsriesling, der geschmacklich flach daherkommt und so schmeckt, wie viele elsässische Rieslinge halt seit Jahrzehnten so schmecken. „Das sind populistisch süße Weine“, so ein kaiserstühler Spitzenwinzer.

Selbst wenn ‚unser’ Elsässer jetzt noch loyal am Mythos des gesegneten Landstrichs festhält und all dies hat geduldig überFoto 4_kl sich ergehen hat lassen, spätestens, wenn es ans Bezahlen geht wird der Preis für das Gebotene den Ureinwohner endgültig aus dem Stuhl in der rot-weiß dekorierten Bauernstube heben. Machen wir’s kurz: Essen und Trinken ist im Elsass zu teuer geworden. Zudem hat es sich in den letzten Jahren nicht nennenswert weiterentwickelt.

Natürlich gibt’s im Elsass  eine Spitzengastronomie, wie etwa die ‚Auberge de l’Ill in Illhaeusern’, und auch auf dem breiten Land finden sich Restaurants, auf die der oben beschriebene Zustand nicht zutrifft. Die Sterne strahlen natürlich auch jenseits des Rheins. Aber in der Breite gesehen scheint es, dass die hiesigen Gastronomen seit Jahren einen verstärkten Zustrom an Gästen aus dem Nachbarland verzeichnen.

Das war früher anders. Da zogen Heerscharen badischer Gäste jedes Wochenende mit Kind und Kegel (der Verfasser weiß, wovon er spricht) ins Elsass, um gut Essen zu gehen. Der kleine gastronomische Grenzverkehr war zum Synonym der Lebensart geworden. Kaum dass der Opel Kadett von der Fähre rollte, ließ man sich vom dort Aufgetischten gern belehren, was auf einem Teller kulinarisch so alles möglich ist.

Hinter uns gelassen hatten wir damals Zigeuner-, Jäger- und sonstige Varianten des Schweineschnitzels mit den dazugehörigen fetten Soßen, Bergen von Spätzle und andere Sättigungsbeilagen wie giftgrüne Erbsen oder die zu kleinen Kugeln geformte Gelberüben. Nach dem Kurs in Sachen Lebensart ging’s dann wieder zurück ins Badische (meist über weitere Strecken, da die Fähre ihren Betrieb mittlerweile eingestellt hatte), und es blieb das Gefühl, einen erfüllten Tag erlebt zu haben. Der Ausflug hatte sich gelohnt. Man war satt und vor allem gut satt geworden!

Aber ach. Lang, lang ist’s her. Ein Hin und Her gibt’s freilich immer noch, nur eben in die andere Richtung. Und so freuen sich Gastronomen wie Edmund (‚Eddi’) Baier im ‚Bauhöfer’s Bräustüb’l’ seit einigen Jahren über die zunehmende Gästezahl aus dem Elsass.

Nach den Gründen gefragt bringt er es erst einmal mal auf den Punkt: „Unser Angebot stimmt einfach“. Und ergänzt selbstbewußt: „Wir sind einfach besser“. Das liege zunächst einmal am Preis/Leistungsverhältnis; man bekommt hier Gutes zum besseres Preis. Hier bewege man sich einfach mehr. Über alles gesehen experimentiert man drüben einfach zu wenig; man ist eingefahren. Als Beispiel nennt er – durchaus nicht uneigennützig- das naheliegende Thema Bier. Die Brauerei in Ulm bringt immer mal wieder neue Biersorten auf den Markt. ‚Doppelbock’, ‚Maibock’, ‚Mondscheinbier’, ‚Kellerbier’. Andere Brauereien im Badischen machten das ähnlich.

Dann geht er weiter ins Detail. Die 35 Stunden Woche macht die Gastronomie drüben weniger rentabel. Die Lokale öffnen teilweise Punkt 12 Uhr und keine Minuten früher (er bringt Beispiele). 14 Uhr wird pünktlich geschlossen. Um 19 Uhr wiederholt sich das Ganze und dann könne es sein, dass der Gast um 21.30 Uhr schon wieder auf der Straße sitzt. Zwei Tage in der Woche hat man geschlossen.

Das System sei zu unbeweglich, daran lasse man aber nicht rütteln. So kommen die Elsässer zu uns, kaufen sie darüber hinaus noch ein. Viele Selbstvermarkter, beispielsweise rund um Oberkirch, leben gut vom Obst-, oder Schnapsverkauf an die Gäste. Zudem wird vieles an Obst oder Gemüse (besonders Spargel) wird im Elsass kaum mehr angebaut. Die Elsässischen Wirte kaufen den Spargel längst im Badischen. Schuld sei – wie man das beim Maisanbau beobachten kann – der Hang zu Monokultur.

Dollenberg PuppenZurück zu strukturellen Problemen. So sieht auch der Zweisterne Gastronom Meinrad Schmiederer an erster Stelle das Preis-Leistungs-Verhältnis, das für die hiesigen Betriebe spreche. Auch er merkt an, dass man mit einer starren 35 – Stunden Regelung kaum hinkäme. Hier sind es 42 Stunden plus möglicher Überstunden: „Das macht uns flexibel“.

Anzumerken ist zudem noch, dass verglichen mit dem französischen Steuersatz die hiesigen Wirte im Nachteil sind. Während in Frankreich auf gastronomische Leistungen ein Steuersatz von 7 Prozent erhoben wird, fällt in die hiesigen Betrieb ein Satz von 19 Prozent an. Ein klarer Nachteil, der die dortige Gastronomie eigentlich bevorzugen sollte. Wenn – wie immer mal wieder gemunkelt wird – der Steuersatz demnächst weiter angehoben werden soll, dann, so scheint es, geht garnichts mehr.

Doch die Gastronomie kämpft auch noch mit anderen Problemen. Fritz Keller vom ‚Schwarzen Adler’ in Oberbergen konstatiert ein zunehmendes Restaurantsterben auf Grund der französischen Steuerpolitik. Zu vererbende Familienbetriebe sind auf Grund der steuerlichen Belastung kaum mehr zu vererben. Söhne oder Töchter sehen keine Möglichkeit, einigermaßen kostenneutral den Betrieb zu übernehmen. „Die ist das Ergebnis einer zentralistischen Neidpolitik“. So werde zu Lebzeiten der Eltern nichts mehr investiert. Wozu auch? Auch dies spielt der hiesigen Gastronomie in die Hände.

Dass von nichts nichts kommt, ist eine Binsenweisheit. So recht verständlich wird die erst, wenn man sich vor Augen hält, dass der Französische Nationalfeiertag – das Hochamt französischen Nationalgefühls – seit 20 Jahren mit großem Tamtam ausgerechnet auf der gegenüberliegenden Rheinseite, auf dem Dollenberg, gefeiert wird. Die zentralistisch denkenden Franzosen haben den Elsässern mit ihrer Grenzlage nie so ganz getraut. Aber wie hätte Paris erst geschaut, hätte es gesehen, dass die von Meinrad Schmiederer zur Willkommesparade am 14. Juli verpflichteten Bad Peterstaler Schulkinder sogar mit französischen Fähnchen winkten, was den Gästen aus dem Elsass die eine oder andere Träne ins Auge trieb -allein das hätte Paris zu denken geben müssen.

Menschen Stadtstreicher

Die Kunst zu erben

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Warum in Baden-Baden das Begehen der ‚Lichtertaler Allee‘ nicht für alle gleichermassen bekömmlich ist

Das Chateaubriand im Restaurant ‚Stahlbad’ hat geschmeckt. Als der Ober den Tisch abräumt, sagt die Seniorin mit matter Stimme, wer jetzt noch etwas wolle, solle dies sagen. Sie für sich nehme noch einen Kaffee. Dann gibt sie ihrer Tochter mit matter, faltiger Hand die krokolederne Geldbörse und bittet, zu bezahlen.

Es scheint eines jener Sonntagsessen, zu denen die Verwandtschaft sich von Zeit zu Zeit einfindet, um die Erbansprüche zu bekräftigen. Und solange sich das Ganze nicht übermäßig in die Länge zieht, kann man auch die Enkel ohne allzu großen Zwang von der Notwendigkeit des Sonntagsopfers überzeugen. Der Schwiegersohn holt den etwas abseits stehenden Rollstuhl. Die Seniorin wird vorsichtig darin platziert. Dann reiht sich die Familie hinter dem rollstuhlschiebenden Vater ein, und man macht sich gemeinsam auf den Weg zurück ins Bellevue, dem Altenstift für begüterte Personen.

‚Omi’ – so wird sie von allen, außer ihrer Tochter genannt: diese sagt streng ‚Mutter’ – ist nun aber schlecht gelaunt. Der Grund ist nicht ersichtlich. Ist es die Aussicht auf eine weitere öde Woche im Bellevue mit immer der gleichen Aussicht auf das immerwährende Grün der Lichtentaler Allee? Schlägt ihr aufs Gemüt, dass jeden Samstag zur immer der gleichen Zeit vier unbeschwert musizierende Mädchen unten im Kaffee leichte Streichquartette spielen?

Zunehmend schlechtgelaunt fragt sie, warum man ihr als Altersitz ausgerechnet dieses Tal zugewiesen habe, in das der Wind fortwährend schwül drückende Wolken schiebe. „Mutter, das hier war ausdrücklich dein Wunsch“, sagt die Tochter.

Aber Mutter schwitzt jetzt noch mehr. Auf ihrer Stirn bilden sich kleine Schweißtropfen. Sie steht – wie sie jetzt selbst mit schwacher Stimme sagt – im Wasser’, und bittet die Tochter, ihr das monogrammbestickte Taschentüchlein zu geben. Sie würde es in der Handtasche finden.

Allmählich wäre es an der Zeit gewesen, der Seniorin einen Schluck Wasser zu reichen. Ihr Schwiegersohn macht sich angesichts zunehmender Schwüle Sorgen um den Kreislauf der älteren Dame. Zu spät. Ein leichter Seufzer, dann legt sich das schlohweiße Haupt behutsam zur Seite. Großmutter erleidet einen Kreislaufkollaps oder Schlimmeres. Diesen Zustand hätte sie selbst vor Jahren bei anderen verächtlich als ‚eine Art Absence’ bezeichnet.

Ihr Schwiegersohn ruft: „Omi, was machst du? Omi, komm zu dir!“ Er tätschelt ihr leicht die eingefallene Wange. Und die Tochter ruft: „Was machen wir jetzt? Mutter geht es nicht gut“. Dann wird der Enkel hastig geschickt, um Hilfe zu holen.

Er rennt los, die Allee entlang in Richtung Theater und Kurhaus. Als ihn keiner mehr sieht verlangsamt er seine Schritte. So wird der Heilungsprozess gebremst.

 

Allgemein Kultur Menschen

Der Mann am Horn Teil 1

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Manchmal braucht es gar nicht viel, um einen Menschen glücklich zu machen. Für Peter Drischel z.B. wäre schon viel gewonnen, wenn ein kleines und doch so wichtiges Teil aus Bambusholz wäre, über eine mittlere offene Bahn verfügt und sich in das Mundstück seines Saxophons einspannen ließe. Dort könnte das Ding, gut badisch auch ‚Blättle‘ genannt, nach penibler Vorausauswahl einen ziemlich wichtigen zu seinem Glück leisten. Es könnte z.B. das wertvolle Selmer Saxophon so zum Klingen zu bringen, wie Peter Drischel sich das vorstellt. Was will er mehr?

Denn Peter Drischel, besser bekannt unter seinem Küstlernamen, Pete Tex, ist Musiker. Einer, der es mit der Musik ganz genau nimmt. Klar, dass er nichtsdem Zufall überlässt. Hat er nie getan, seit er, in Rastatt 1942 geboren und schon ab 1950 in musikalischer Ausbildung, beschloss, es mit der Musik ernst zu meinen. Nach dem Klavierunterricht ging’s gleich ans Saxophon. Ab seinem 13. Lebensjahr spielt er bereits in einer Bigband. Dann Mitglied in einer Dixie-Combo, der Tanzformation ‚Schwarz-Weiß’, dazwischen aber immer wieder auch Einsatz in der Rastatter Stadtkapelle.

Das war so um 1962. Der Krieg war nun schon eine ganze Weile vorbei. Die Bomberverbände waren heimgeflogen. Jetzt war der Himmel frei für die Angriffswellen der halben Hähnchen, mit denen, begleitet von riesigen Schwärmen Pommes, die Nachkriegsdeutschen ihren Fleischhunger stillten. In Amerika startete der Aufstieg von Elvis, der ganz allmählich in einen sanften, erfolgreichen Gleitflug überging: ‚Muss i denn zum Städele‘ hinaus versöhnte die Muttis mit den Jüngeren.

Aber auch in Mittelbaden vernahm man jetzt auf einmal ganz neue Klänge. Sie kamen von Liverpool und hatten über Hamburg ihren Weg bis in Badische gefunden. Auch nach Rastatt, Kuppenheim und Ettlingen. Überall entstanden Tanzbars und Tanzcafes. Im übrigen hatten die Dorfwirtschaften damals noch Säle. In denen brachten ab den frühen Sechzigern ein ganzer Schwarm neuformierter Combos und Schülerbands ihre von Schallplatten abgehörten Beatsongs unters vergnügungssüchtige Jungvolk. So war’s in Lichtental im „Goldenen Löwen“; nicht anders in Hörden und Kuppenheim. Dort gab’s jeweils den „Ochsen“, und nicht zu vergessen auch Malsch. Da hatte man den „Lauinger“.

Die damals erfolgreichste Gruppe in dem nordbadischen Unterhaltungsbiotop waren die „ROCKING STARS“, mit Dieter Kersten Gesang und – man wundert sich nicht – Peter Drischel am Saxophon. Fortan wurde abgeräumt. Erst rund um Rastatt, dann im gesamten südbadischen Raum. Noch heute geraten die zwischenzeitlich auch älter gewordenen weiblichen Fans mit aber immer noch erstaunlich schwarzem Haar und rauchiger Stimme ins Schwärmen, wenn sie an die die alten Zeiten denken, die damals doch so jung waren. Nicht anders ihre männlichen Pendants, die vereinzelt das mit einem dünnen Gummi zusammengebundene Resthaarschwänzchen heute immer noch so tragen, als gälte es, den vormals üppigen Haarwuchs am Kopf zu bändigen.

Allmählich dann aber war es für Peter Drischel Zeit, ins Profilager zu wechseln. „International Sextett“ hieß, wenig einfallsreich, die Formation, die Knut Kiesewetter, Gerd Böttcher und Lou van Burg begleiten sollte. Zehn Jahre später dann, wie schreiben 1974, beschloss die BASF eine eigene Plattenproduktion aufzubauen. Mit dabei, nach kurzer Zeit beim SWF, unser Mann am Horn. Mit im Gepäck sein Gespür für große Melodien.

Kaum im neuen Amt komponierte er als Pit Tex 1974 seinen Riesenhit ‚Slow Motion’…    

 

Zum Video des Titels ‚Slow Motion‘  gehts hier lang: https://youtu.be/9DXhmqFORrE

 

Demnächst Teil zwo des Beitrags. 

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