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Poesie in Flaschen

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Von der Schwierigkeit, einen Schluck in Worte zu fassen


Eine gute Bekannte von mir lebt vom Wein, ja, eigentlich vom Wein der Anderen. Mittlerweile ist sie eine renommierte Weinfachfrau, eine Sommeliere. Um es soweit zu bringen sollte man eine solide Ausbildung haben, die sie denn auch hat. Nach zahlreichen strengen Prüfungen darf sie sich also seit geraumer Zeit mit der Berufsbezeichnung Sommeliere schmücken, ein Beruf, der neben einem sensiblen Gaumen auch große Kenntnis der Rebsorten, der Anbaugebiete etc erfordert.

Nun lebt so jemand zwangsläufig nicht nur vom bloßen Genießen der edlen Tropfen, sondern es bringt der Beruf so mit sich, dass man nach einem prüfenden Schluck auch über den Tropfen spricht. Und zwar in einer angemessenen Weise. So genügt es z.B. nicht, einen edlen Wein schlichtweg als ‚Granate‘ zu bezeichnen sondern man sollte – nachdem einen so eine Granate getroffen hat – schon in der Lage sein, diesen Glückstreffer zu erkennen, um ihn dann uns, dem Leser, auch einen solchen zu vermitteln. Hierzu bieten sich eine große Anzahl von Magazinen an, die sich ausschließlich mit dem Thema ‚Wein‘ beschäftigen. Ein großer Platz in diesen Heften nimmt die Bewertung dieser zahlreichen Weine ein. Hierzu bedienen sich die Weinprüfer eines ausgeklügelten Wortschatzes, der uns Außenstehenden vermitteln soll, was im Gaumen des Testers so abgeht, wenn der Tropfen explodiert.

Um das hier einmal näher zu erläutern, sollten wir vielleicht einmal einen Blick in die einschlägigen Journale werfen, die allesamt ziemlich gut das abbilden, was der durstige Weingenießer an einem möglichen Tropfen zu schätzen weiß.

Die sogenannte Verkostung beginnt zweckmäßigerweise mit dem Entkorken der Flasche. Daran anschließend beginnt das kleine Einmaleins des Weinbeschreibens, in der Regel mit der Assoziation des Obstgeschmacks, mit der der Weinjournalist seine Verkostung umreißt. „Brombeere, Schwarze Johannisbeere, Blaubeere“ – das ist schon mal ein guter Einstieg in die Verkostung. Da kann man nichts falsch machen.


Dann aber schmeckt der (oder die) Weinkundige, dass der Traube doch vielleicht mehr innewohnt als bloße Beeren. Er schmeckt jetzt auch: “Quitte, reifer Apfel“. In einer anderen Flasche meint er „weißer Pfirsich“ herauszuschmecken, zudem macht sein Gaumen „Mandarine, Aprikose, Buttermilch“ aus, vielleicht auch noch „Vanille, reichhaltig“.

Ein „fruchtiger Duft von Schattenmorelle“ gemahnt wieder eher an den Obstgeschmack: „fruchtiger Duft von Schattenmorelle“ heißt es da, und in der Flasche nebenan paarte sich bei einer Verkostung wundersamerweise „Aprikosengelee“ mit „Darjeeling-Tee“

Doch weiter geht’s mit unserem hurtigen Streifzug durchs terminologische Unterholz. Auf der Seite 94 eines solchen Magazins bescheinigt man einem „Montlouis-sur-Loire“ zu € 23,70, er sei ein „ansprechender Naturbursche. Am Gaumen finessenreich und gute Struktur“. Da kann man ihm nur zurufen: Glück gehabt! Den „Vouvray AOC Le-Haut-Lieu Sec 2021“ (€ 29,90) hat es da härter getroffen. Ihm bescheinigt man, er sei etwas ‚Seifig‘. Immerhin seien hier „Gute Leute am Werk, die einen jungen, zupackenden Chenin Blanc präsentieren“.

In einem anderen Geschmacksportfolio verbergen sich: „Brioche. Feuerstein“, in einem weiteren hingegen schlummert der Geschmack von „Bohnerwachs und Zigarrenkiste“.

Da hatte ein Tester anscheinend schon einen animierenden Schluck genommen. Sein Kollege riecht erst mal am Glas („Odor“) und bescheinigt dem Wein: „Die Nase zunächst ein wenig medizinal, Hansaplast“. Ein weiterer Wein „zeigt sich animalisch und wild, erinnert an Moschus, Rosshaar und Heu“.

Nicht genug. Dem interessierten Leser machen die Glaspoeten noch Lust auf noch mehr, z.B. auf “ Mandarinenschale – Orange – Mango – Banane“. Klar. Und weiter? Auf einen „Hauch Schnittlauch“, „Kirsche. Unterholz“ und was einem halt so alles noch einfällt, wenn man berufsbedingt den Mund voll nimmt.

Kurz, man weiß nicht so recht, ob die selige Weinzunft die neue Art zu texten mittels ChatGPT freudig erwarten oder fürchten muss. Denn eines scheint klar: das wiederholte Aufrufen verschiedener Obstsorten zur Geschmacksbestimmung der Weine ist auf die Dauer doch etwas ermüdend. Neue Terminologien werden bemüht. So nimmt sich der Weinkritiker der WAS die Cuvee l’Antique 2021 der Domaine Roc de l’Abbaye deskriptiv zur Brust. Er bescheinigt dem Wein, dieser sei geschmacklich „auf eine eigene Art vielschichtig“. Eher „…gering ein Brie…der gerade aus dem Kühlschrank geholt wird…“ Ach, was! Eigentlich erinnert ihn der Wein an „…feuchte Senfsaat und ein gerade ausgewaschener Aschenbecher, in dem jetzt Stücke einer Honigmelone liegen“.

Diese wenigen hier angeführten (und echten!) Beispiele mögen verdeutlichen, dass es beim Betrachten der üblichen Begrifflichkeiten dieser Branche wohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass man sich mit heiterem Fabulieren über die tägliche Distanz rettet. Denn in der Tat muss und soll über Wein geschrieben werden, nur scheint keine oder keiner so recht zu wissen, wie das ernsthaft zu bewerkstelligen ist. So hat man sich im Laufe der Zeit auf eine Terminologie geeinigt, die alles oder nichts meint. Denn wie anders soll man verstehen, wenn eine Geschmacksbeschreibung einem Gang durch die Obstplantagen ähnelt, wenn „Jod. Eisen, praktisch ohne Frucht“ bemüht wird, um einen Tropfen zu klassifizieren?

Über all das könnte man sich amüsieren. Man könnte im Zustand seliger Betrunkenheit den Formulierungen vor Ort im Glas nachspüren und sich darüber nüchtern lachen. Und doch ist nicht auszuschließen, dass von diesen oben formulierten ‚Expertisen‘ Existenzen abhängen, Weingüter, die nach Erscheinen der Weinpublikationen mit angehaltenem Atem das eben gesprochene Urteil ernst zu nehmen sich gezwungen sehen.

Da wird man schon froh sein, wenn einem die fröhliche Sommeliergemeinde bescheinigt, bei dem getesteten Wein sei ein „fantastischer Trinkfluss garantiert“, oder, wie meine Bekannte oft genug mit lobendem Unterton festhält, der eben verkostete Wein sei „ein Wein zum Trinken“.






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Die Explosion der Blumenzwiebel

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Wie die Pressestelle von Baden-Baden uns behutsam auf den Frühling einstimmt

Minolta DSC

Eine Totalsperrung einer Durchgangstrasse oder die Ankunft der Baldreitstipendiatin – solchen Meldungen geraten der Abteilung ‚Presse & Öffentlichkeitsarbeit‘ der Stadt Baden-Baden  in der Regel eher nüchtern, sachlich. Nun hat uns aber das Amt doch mit einer – sagen wir mal – unvermutet blumigen Nachricht überrascht. Da erfreut man uns mit der euphorischen Nachricht, dass am Wochenende „außergewöhnliche Farbenspiele“ die Krokusflächen in der Allee „verzaubern“ werden. So, wie sich die Meldung liest, ist uns, als könne man fast spüren, wie sich das ganze Personal des Amts am weit geöffneten Fenster versammelt, um uns alle „zum Frühlingsschnuppern“ einzuladen.

Eine ganze Dienststelle taucht förmlich ein ins avisierte Blütenmeer.

Dabei ist es vor allem der ‚Crocus vernus’, vulgo ‚Krokus’, der es der Dienststelle ganz besonders angetan hat; seine ‚millionenfache’ Blüte soll uns förmlich hinausziehen. Interessant in dem Zusammenhang: ihm, dem Krokus, gilt augenscheinlich die ganze Aufmerksamkeit des Amtes. Was einerseits schön, anderseits aber auch ein bisschen schade ist, denn in der Meldung hinten runter gefallen ist die ebenfalle in der Allee heimische Osterglocke, auch Gelbe Narzisse genannt.

Wird nicht auch sie am Wochenende dem Wanderer leuchten oder gar läuten? Sei’s drum.

Krokus 2Da aber selbst derlei Meldungen von uns nicht ungeprüft übernommen werden, sind wir unmittelbar nach dem Lesen mal schnell rüber in die Allee gelaufen. Dort galt es mal nachzusehen, ob das versprochene Blütenmeer wenigstens im Ansatz erkennbar ist. Und man muss sagen: es sieht nicht schlecht aus. Nach dem ersten prüfenden Blick zeichnet sich ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad ab, dass die Prognose des Amts zutrifft und sich der Frühling letztendlich „unaufhaltsam und mit Riesenschritten nähert“. Nach der Sichtung hatte wir uns anschließend mit Riesenschritten wieder zurück in die Innenstadt begeben. Dies taten wir in angemessen heiterer Stimmung, denn wir hatten bei unserem vorösterlichen Spaziergang nicht nur Krokusse und Osterglocken sondern auch noch zehn Euro gefunden. Einfach so.

Dies bestärkte uns endgültig in der Gewissheit: die Meldungen unserer Pressestelle sind immer ein Gewinn.

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Oh Hl. Bimbam

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In der jüngsten Zeit bin ich verstärkt zur Einsicht gekommen, dass einer der wenigen Grundstoffe, die beliebig vermehrbar sind, die Dummheit ist. Die Behauptung mag kühn erscheinen. Deshalb sollte man sie mit einem Beispiel belegen. Bitte sehr!

Ich hatte mich kürzlich mit einer Kindergärtnerin unterhalten, die mir im Verlauf unseres Gesprächs erzählte, ein Kind aus ihrer Gruppe habe eine schwarze Hautfarbe (nicht farbig!), und wäre zu gern beim Ausmarsch der HL. Drei Könige im Dorf mit dabei gewesen. Dies hatte man dem Kleinen aber verboten, weil die Teilnahme eines Farbigen (!) am Sternsingen nicht mehr zeitgemäß sei. Das sei rassistisch.

Es ist kaum zu leugnen: Dummheit findet – ähnlich wie Wasser – immer seinen Weg.

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ÄHM – – –

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Ja, gut: der letzte Sommer ist nun schon eine ganze Weile her. Das sollte uns aber gerade angesichts der derzeitigen Wetterlage nicht davon abhalten, einen letzten wehmütigen Blick auf ein Highlight der längst vergangenen Sommersaison werfen: das Speiseeis in seiner je verschiedenen Geschmacksrichtung.

Nachdem uns schon vor Jahren die Nachricht von einem kulinarischen Knaller erreicht hatte (ein Speiseeis auf Lebenwurstbasis für Hunde – wir berichteten darüber), möchten wir in diesem kleinen Rückblick auf eine weitere gefrorene Fußnote zu sprechen kommen. Sie hatte in der Nähe von Baden-Baden ihren Ausgang genommen und war als eine Art Hilfestellung gedacht. Denn seinen wir ehrlich: wen beschleicht vor einer Eistheke (wir erinnern uns?) nicht einen gewisse Ratlosigkeit angesichts der vielen Köstlichkeiten, die hier feilgeboten werden? Welche Sorte soll man denn nehmen?

Niemand sollte sich in dieser Situation wundern, wenn der Genießer kurz innehält, um sich über das, was jetzt gleich in die Waffel soll, einen Überblick zu verschaffen. Es ist der Moment, an dem es gilt, die verschiedenen Geschmacksrichtung am Gaumen vorbei ziehen zu lassen. Dieser Prozess des Innehaltens wird für gewöhnlich durch ein nachdenkliches ‚ Ähm‘ unterstrichen.

Kein Wunder, dass eben das im badischen Gaggenau ein findiger Italiener zum Anlass genommen hatte, eine Eissorte nach diesem Wortzombie zu benennen. Wer also im vergangenen Sommer vor den Tresen besagter Eisdiele trat und seiner Unentschlossenheit mittels dieses kleinen Wortes Ausdruck verlieh, bekam eben das: eine Kugel ‚Ähm‘. Weiße Schokolade mit ‚Pistazien-Crunch‘. Man könnte also sagen: wem in diesem Moment nichts Besseres einfiel, sagte einfach mal ‚Ähm‘ und war fürs erste gut bedient.

Dieses ‚Ähm´ als Ausdruck geistiger Ratlosigkeit ist seit längerem nun aber auch in anderem Umfeld in Gebrauch. Und zwar im Umfeld unseres staatstragenden Senders Deutschlandfunk (DLF), wo man sich überaus korrekt und staatstragend gibt. Fortwährend sehen sich dort Politiker oder Referenten sogenannter „Thinktanks“ eingeladen, um sich tagsüber aber auch nachts zu je verschiedenen Themen zu äußern.

Unser gaggenauer Eismacher offeriert im Schnitt 40 Eissorten. Da mag die Auswahl schwerfallen. Anders als im Programm des DLF, wo das Angebot in der Regel deutlich kleiner ist und man sich auf seinen Qualitätsjournalismus trotzdem sehr viel zugute hält. Ähnlich wie vor der Eistheke ist auch dort, auf dem Flaggschiff publizistischen Denkens, der Sprachfluss fortwährend durchsetzt mir formelhaften ‚Ähms‘. Ja, man könnte sagen: wem im Moment auch dort nichts einfällt, der greift mündlich gern zum ‚Ähm‘.

Da trifft es sich schon gut, dass wie jedes Jahr die Medien sich auch im vergangenen Jahr auf die Suche nach dem Jugendwort des Jahres gemacht haben. Zur Auswahl standen so Ausdrücke wie „goofy“, „Auf Lock“ oder „Riss“, die hier in ihrer Bedeutungsschwere nicht weiter Beachtung finden sollen.

Doch muss man sich schon wundern, dass keiner der Maßgeblichen das ‚Ähm‘ in die nähere Auswahl genommen hatte.

Das hätte wenigsten allen geschmeckt.

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„…ein größerer Bescheißer“

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Wie Paracelsus einmal unseren Markgrafen beschimpfte 

Der Frühling kommt. Der Maler geht. Ein rundum gelungener Abschluss? Als der kleine weißlackierte Transporter der Firma Dieterle aus Forbach vom Parkplatz vor der Kirche rollte, hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass die Renovierung der Stiftskirche in Baden-Baden nunmehr beendet ist. In naher Zukunft müsste also auch niemand mehr den Handwerker an seinen auf dem Transporter prangenden Werbespruch erinnern „Über hundert Jahre: Farbe im Blut“.

Lange genug hatte es ja gedauert, bis zum Frühling dieses Jahres nach dreijähriger Renovierungszeit eine der bedeutendsten Kirchen des Landes wieder geöffnet hat. Im Inneren ruhen vierzehn Markgrafen von Baden und ihre Angehörigen. Einer der Bedeutendsten war der Markgraf Philipp von Baden. Er war der fünfte Sohn des Markgrafen Christoph I und seiner Gattin Ottilie von Katzelnbogen, die insgesamt fünfzehn Kinder zur Welt brachte. Sie muss von zäher Konstitution gewesen sein, denn von den fünfzehn Kinder überlebten deren dreizehn.

Ihr Sohn Philipp scheint von eher schwächerer Natur gewesen zu sein, denn er litt an einer fortwährenden Darmstörung, die die Ärzte am Hofe nicht zu heilen vermochten. 1526 z.B., lag er wieder einmal siech darnieder. Ein Fachmann musste her, einer, von dem man sich Wunderdinge versprach. So einer wie Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt unter dem Namen Paracelsus, der, von unbestrittener Kompetenz, sich zu der Zeit in Süddeutschland aufhielt und der es richten sollte. So habe er z.B. in Ingolstadt ein Mädchen geheilt, das gelähmt war. Nicht so viel Glück hatte hingegen Petrus von Burckhardis. Der war an seinem Asthma erstickt. In dem Fall war offensichtlich nichts mehr zu machen gewesen. Anders in Rottweil – da heilte er eine Äbtissin, die an Gürtelrose litt (derzeit kursierender Werbespruch: „Kann sehr belastend sein“).

Genug Empfehlungen also, nach dem Doktor zu schicken, der bald darauf wohl auch eintraf, um dem Markgrafen seine weithin gerühmte ärztliche Kunst angedeihen zu lassen. Und in der Tat war zu seiner Zeit Paracelsus das, was man eine Koryphäe nennt, ein Promidoktor, zu dem ‚man‘ ging.

Paracelsus – irgendwie frisch vom Frisör

Als einer der Ersten hatte er die Medizin auf eine neue Basis gestellt. Er studierte die Natur. „Umfasste sie nicht ein viel größeres Gebiet, als die Schulmedizin zuzugeben wagte?“ (H. Pächter „Paracelsus“) Der Mediziner schlug neue Behandlungswege ein, immer ausgehend von der zentralen Frage: was Krankheit eigentlich ist.

Wohl dem, der ihn in Zeiten der Not an seinem Krankenbett wusste. Wohl aber auch dem, der ihn nicht brauchte. Denn der Herr Doktor war ein rechter Zausel, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging, mit allen Streit anfing, dabei die Kollegen vor den Kopf stieß und allerlei mehr. Später, da war er schon weitergezogen nach Basel, berichtete sein Freund Oporinus in einem Brief, dass sich Paracelsus „dem Trunk und der Prasserei ergeben“ habe. „Die ganze Nacht…hat er sich nie ausgezogen, was ich seiner Trunkheit zuschrieb“.

„Dessen ungeachtet“ sei er, „wenn er am betrunkensten war“, zu seinem Schüler nach hause gekommen, um „mir etwas von seiner Philosophie zu diktieren“. In diesem Zusammenhang rühmte sein Schüler auch die Klarheit seiner Gedanken, „dass sie von einem nüchternen Menschen nicht hätten verbessert werden können“. Zudem hatte der Herr Doktor ein Schwert, das er bisweilen um Mitternacht wie ein Rasender aus der Scheide zog, es zu Boden schmiss, „so dass ich manchmal glaubte, er würde mir den Kopf abhauen“. So weit die Ausführungen des ‚Assistenten‘, das Verhalten seines Lehrmeisters betreffend, und man fragt sich unwillkürlich, warum heutzutage Assistenzärzte meine, sich über das Auftreten einzelner Chefärzte beklagen zu müssen.

Noch aber war es hier in Baden-Baden nicht so weit. Das war später, in Basel. Doch nun lag ein Fall vor, der die Behandlung des Besten bedurfte. Der Markgraf war krank, und zwar ernstlich. Und so schickte man nach dem Besten seiner Zunft, nach Parcelsus, der alsbald auch eintraf und mit der Fülle seiner Erfahrung konstatierte: dem Fürsten, der siech darniederlag, mache der Darm Probleme. Der Darm in seiner gereizten Form. Eine Darmreizung. So etwas würde zur Heilung Zeit brauchen. So verordnete er zunächst dem Markgrafen Ruhe und vor allem Geduld, beides solle die verabreichten Mittel ergänzen. Das allerdings würde sich hinziehen.

Ob der Markgraf jetzt auf einem guten Weg war? Möglich. Doch da hatte man nicht gerechnet mit den Medizinern vor Ort, die auf so einen wie diesen hergelaufenen Medicus gerade noch gewartet hatten, so einer, der sozusagen an ihnen vorbei den hohen Herren behandeln durfte. Die üblichen Eifersüchteleien also. Hinzu aber kam, dass sich der Hochgelahrte alsbald als das entpuppte, was er immer war: ein arroganter Rüpel, der sich der ortsansässigen Kollegen gegenüber so benahm, wie man es niedergelassenen Ärzten gegenüber besser nicht tut. Er wusste alles besser.

Die Schwachstelle der Behandlung war die Zeit, die sich Paracelsus ausbedungen hatte. Es solle gewartet werden, bis seine Mittel wirkten. Wunder dauern bisweilen etwas länger. Die Heilung brauche Zeit. Aber wie das bei Ärzten manchmal halt so ist: sie nehmen sich keine.

Offensichtlich hatte er aber nicht mit der Kamarilla gerechnet, die eifersüchtig geifernd um ihren Einfluss fürchtete und auch schon mal den avisierten Heilungsprozess hintertrieb. Er würde ihre Mittel als die seinen ausgeben, u.s.w. Sie geiferten weiter, intrigierten noch mehr.

Irgendwann wurde es wohl dem Markgrafen zu bunt, und so sah sich der Herbeigerufene ohne Entschädigung und Lohn entlassen, worauf der Herr Paracelsus verärgert das Weite suchte noch bevor die Krankheit den Patienten floh. Er verließ die Stadt, verbittert und sauer. Weiter zog es ihn nach Straßburg und von dort aus noch rief er unserem Fürsten hinterher: „Der Markgraf ist ein größerer Bescheißer als der Jud Messe von Thales“.


 










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